Folge 9 - Schi-Großveranstaltungen

Peter Nics 

KALTENLEUTGEBEN VON DAMALS BIS HEUTE 

9. Fortsetzung

Die ersten Gemeinderatswahlen nach der wiedererlangten Selbständigkeit als Gemeinde finden am 24. April 1955 mit folgendem Ergebnis statt: 780 Stimmen und 12 Mandate für die Sozialistische Partei, 445 Stimmen und 6 Mandate für die Volkspartei und 105 Stimmen und 1 Mandat für die Kommunistische Partei. Bei der konstituierenden Sitzung werden Leopold Macher als Bürgermeister und August Haunzwickl als Vizebürgermeister in ihrem Amt bestätigt
 
Schi-Großveranstaltungen
In den fünfziger Jahren kommt es hier, im "Schidorf der Wiener", zu zwei Wintersport-ereignissen, die in die Annalen Kaltenleutgebens eingehen sollen.
Am 13. März 1955 findet auf der Sprungschanze im Kerschgraben das Sepp Graf Gedenkspringen statt. Josef Graf (geboren 1903, gefallen 1945) ist Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre Kaltenleutgebener Lokalmatador in den damaligen Dreierkombinations-Disziplinen (Abfahrt/Langlauf/ Springen). Der gelernte Zimmermann startet für den ÖSV-Wien und erobert zahlreiche Medaillen. So wird er z.B. Kombinationssieger am 10.2.1929 in Kaltenleutgeben und Erster im Langlauf am 22.1.1933. ebenfalls in seinem Heimatort. Seine Begeisterung für den Skisport ist so groß, dass er mit dem Fahrrad bis zum Semmering fährt. nur um an Wettkämpfen teilnehmen zu können.
Da der damals beste österreichische Schispringer, Exweltmeister Sepp Bradl, seine Teilnahme zugesagt hat, wird diese Veranstaltung zu einem sportlichen Großereignis, das in Kaltenleutgeben ein riesiges Verkehrschaos auslöst. An die 20.000 Zuschauer kommen mit Sonderautobussen und Privatautos und erleben einen Sieg “Bubi" Bradls mit der Höchstweite von 48 Metern.
Anfang 1956 werden in Cortina d'Ampezzo olympische Winterspiele abgehalten, bei der die österreichischen Teilnehmer erwartungsgemäß hervorragende Leistungen erbringen. Allein schon das Abschneiden Toni Sailers ist legendär: Gold in allen damaligen alpinen Renndisziplinen - im Slalom, im Riesenslalom und in der Abfahrt. Dem Sportwart des "Ersten Skiklubs Kaltenleutgeben", Eduard Lorenz, gelingt das Kunststück, fast alle Asse des österreichischen Olympiateams nach Kaltenleutgeben zum "Eisgraben- und Wienerblick-Rennen 1956" (so der offizielle Veranstaltungstitel) zu bringen: Thea Hochleitner, Trude Klecker, llse Schickl, Anderl Molterer, Othmar Schneider, Ernst Hinterseer (Vater von Hansi Hinterseer), Hias Leitner, Oblt. Lichtner-Hoyer, um nur die prominentesten zu nennen. Nicht dabei ist allerdings der dreifache Olympiasieger und vierfache Weltmeister Toni Sailer, da er anderweitig verpflichtet ist.
Der 25. und der 26. Februar 1956 sind zwei kalte (bis - 20 Grad), aber sonnige Spätwintertage, und es herrschen ideale Schneeverhältnisse. Die Veranstalter haben aus dem Verkehrschaos des Vorjahres gelernt und entsprechend umfangreiche Vorkehrungen getroffen. Die Straßen sind schneefrei gemacht, um den nötigen
Parkraum zu schaffen. Insgesamt werden 380 Soldaten, 250 Gendarmen und ebenso viele Polizisten aufgeboten, um einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltungen zu gewährleisten. Damit möglichst viele Besucher Massenverkehrsmittel benützen, setzen Post und Bahn an beiden Tagen 60 Autobusse (die Postbusse fahren von und nach Wien-Schillerplatz, die ÖBB-Busse von und nach Wien-Philadelphiabrücke) und neun Sonderzüge (von und nach Wien-Südbahnhof) auf der seit fünf Jahren für den Personenverkehr stillgelegten Strecke ein.
Am Samstag, dem 25. Februar, wird das bereits traditionelle Eisgraben-Rennen, ein Abfahrtslauf von der Gaisbergspitze zur Eiswiese mit einer Streckenlänge von 1280 Metern und einem Höhenunterschied von 300 Metern, ausgetragen. Es starten 45 Herren und 9 Damen, darunter 9 Herren und eine Dame aus Kaltenleutgeben. Die Schlüsselstellen der Strecke sind der Steilhang im Eisgraben mit anschließendem Linksschwung sowie der wellige Zieleinlauf auf der Eiswiese. Vor tausenden begeisterten Zuschauern siegt bei den Herren Othmar Schneider (SC Arlberg) mit dem
Streckenrekord von 1:04,5 vor Ernst Hinterseer und Anderl Molterer (heide SK Kitzbühel), bei den Damen Thea Hochleitner (SC Badgastein) vor Trude Klecker (WSV Semmering) und llse Schickl (Union SL V-Wien).
Am Sonntag, dem 26. Februar, findet als Höhepunkt der" Torlauf am Wienerblick" in zwei Durchgängen statt. Die Piste im ersten Durchgang ist. mit 56 Toren ausgeflaggt und weist bei einer Länge von 880 Metern einen Höhenunterschied von 200 Metern auf, die im zweiten hat eine Länge von 600 Metern, und es sind 50 Tore zu durchfahren. Beide Strecken sind FIS-gerecht und erweisen sich als durchaus anspruchsvoll. So kommt etwa Ernst Hinterseer im zweiten Lauf gleich zweimal zu Sturz und muß aufgeben. Bei den Damen siegt Thea Hochleitner vor T rude Klecker und llse Schickl, bei den Herren Anderl Molterer vor Hias Leitner und Othmar Schneider. Die Alpine Kombination aus Abfahrts- und Torlauf gewinnen Thea Hochleitner und Anderl Molterer. Die Preisverteilung nimmt Bundeskanzler Julius Raab vor.
In der nächsten Ausgabe der "Arbeiter-Zeitung" ist u.a. zu lesen: » Die österreich ischen Olympiateilnehmer bei einem Skirennen vor den Toren Wien, in Kaltenleutgeben, da mußte man den Untergang der Skiwelt befürchten, ein Verkehrschaos schien unvermeidlich. Nun, die Welt ist nicht untergegangen, das Chaos trat nicht ein. Zweifellos wurden viele, die das Rennen gern gesehen hätten, durch die Alarmnachrichten, die in der Woche vor der Veranstaltung verbreitet worden waren, davon abgeschreckt nach Kaltenleutgeben zu
fahren. Sowurden an beiden Tagen nur etwa 20.000 Besucher gezählt. Dennoch gab es Aufregung genug. Die Wellen der Skibegeisterung hatten etliche Zuschauer bis in die Kronen der umstehenden Bäume gespült. Viele hatten dort einen luftigen Beobachtungsposten bezogen... Und selbstverständlich durchbrach der Begeisterungssturm wieder die Dämme der Absperrung ..."
Und der "Neue Kurier" berichtet am nächsten Tag: "Othmar Schneider wurde mitarretiert ...Es begann damit, daß einige Backfische die Sperrkette durchbrochen hatten und mit dem Ruf ''Anderl! Anderl!" in die Zielausfahrt stürmten. Sie wurden, zappelnd an Händen und Füßen, von Gendarmeriebeamten hinausgetragen; eine besonders begeisterte
Verehrerin von Othmar Schneider, hatte sich bei ihrem Idol festgeklammert, so daß auch er mitgetragen wurde.“
 
20% die beiden Gemeinden. Die Straße würde als Gemeindestraße ca. 1 km auf Kaltenleutgebener und ca. 2 km auf Breitenfurter Gebiet verlaufen. Aber auch dieses Projekt kann letztlich nicht realisiert werden.
Ebenfalls 1958 wird die dringend notwendig gewordene Erweiterung des Waldfriedhofs in Angriff genommen, und am 25. Oktober 1959 der neue Friedhofsteil durch Pfarrer Stefan Reckendorfer feierlich eingeweiht.