Folge 24 - Pfarrkirche St. Jakob – ein Juwel des Wienerwaldes

 Peter Nics

Kaltenleutgeben von damals bis heute

24. Folge

Pfarrkirche St. Jakob – ein Juwel des Wienerwaldes
Noch fuhren wir einige Schritte längs dem Bache dahin, ... als sich uns plötzlich die Kirche zu Kaltenleutgeben von ihrem Hügel herab zeigte. Im schönsten Glanze schimmerte sie vor dem dunklen Gehölze, das sich hinter ihrem Rücken auf der Seite des niedlichen Pfarrhauses aufthürmt. ... Der Weg zur Kirche ist so angenehm, als die Lage der Kirche selbst. Er führt vom Dorfe aus über den Bach, und eine sich sanft erhöhende Wiese. ... Das Heransteigen über mehrere Stufen machte einen angenehmen Eindruck auf uns, ... Die Kirche steht von allen Seiten frey, und ist nur durch einen kleinen Vorhof und den Gottesacker von dem Pfarrhause getrennt. ... Die Kirche ist geräumig, leicht und für einen Dorfkirche sogar schön. Sie hat 3 marmorirte Altäre. Die Säulen des Hochaltars ruhen auf Marmor, der in der Gegend um Kaltenleutgeben gebrochen worden ist. Er hat einen lichtbraunen Grund, ist stark weiß gefleckt und nimmt sich sehr schön aus. Vor beynahe 70 Jahren ist die Kirche gebauet worden, wie man uns sagte. Wir hielten sie nach allem für neuer.
Diese früheste Beschreibung unserer Kirche stammt aus der Feder des Lehrers und Schriftstellers Franz Anton de Paula Gaheis, dessen zahlreiche Wanderungen und Spazierfahrten in die Gegenden um Wien  ihnam 30. Juli 1797 auch nach Kaltenleutgeben führten. 
An der breitesten Stelle des Dürrliesingtales auf einem Felsvorsprung am Fuß des Gaisberges thront eine besondere Kostbarkeit des nordöstlichen Wienerwaldes: die spätbarocke Pfarrkirche zum heiligen Apostel Jakobus demÄlteren zu Kaltenleutgeben. Auf Grund eines Gelöbnisses hat sie der in Wien und Kaltenleutgeben lebende Baumeister Jakob Oeckhl zwischen 1729 und 1732 als Wallfahrtskirche erbaut und großteils finanziert. Der Zugang zur Kirche von der Ortsmitte her erfolgt an der Ostseite des Kirchenfelsens über eine zweiarmige Stiegenanlage – je ein Auf- und ein Abgang für die Wallfahrer –, die eine alte Brunnenanlage in Form einer Kapelle umschließt. 
Das Plateau, auf dem das Gotteshaus steht, bietet so wenig Platz, dass es unmöglich war an der Rückfront ein Hauptportal zu errichten. Deshalb gab es ursprünglich nur zwei Seitentore als Ein- und Ausgang für die Pilger. Nach Erlöschen der Wallfahrtstätigkeit wurde das talseitige Tor zugemauert. Dem Aufgang zunächst steht der 37 Meter hohe Turm, der mit seinem gedrungenen Zwiebelhelm aus Kupferblech und der vergoldeten Kugel mit Kreuz dem Sakralbau ein besonderes Gepräge verleiht. Er schließt unmittelbar an den Altarraum an und birgt in seinem Erdgeschoss die Sakristei. Der spätgotisch wirkende innere Sakristeieingang dürfte das Portal der Vorgängerkirche gewesen sein. 
Das äußere Erscheinungsbild verrät bereits die Architektur des Inneren: ein Langhaus mit zentraler Kuppel und anschließenden gewölbten Kreuzarmen. Die Kirchenhalle hat eine Länge von 23 und eine Breite von 15 Metern, die Kuppel eine Höhe von ebenfalls 15 Metern. Die vollen Rundbögen der Wölbungen setzen erhöht und nicht auf dem Hauptgesimse an und verleihen dadurch dem Raum nicht nur Leichtigkeit, sondern lassen ihn auch größer erscheinen als er tatsächlich ist. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die kräftige Betonung der auf den vier Kuppelpfeilern aufsetzenden Diagonalgurte des Kuppelgewölbes.    
Die Innenausstattung der Kirche fällt eindeutig nicht mit ihrer baulichen Fertigstellung zusammen, sondern ist – wohl aus Kostengründen – erst in den folgenden Jahrzehnten erfolgt, was auch die abschließende Bemerkung des eingangs zitierten Gaheis verständlich erscheinen lässt.
Der Hochaltar 
Der verhältnismäßig einfach gestaltete Kirchenraum findet seinen Höhepunkt in der Hochaltarwand in Form eines dreiachsigen antiken Triumphbogens, dessen Mittelöffnung Altar, Gnadenstatue und Altarbild umschließt. Der Altaraufbau ist aus verschiedenfarbigen Marmorsorten ausgeführt, die teilweise aus der unmittelbaren Umgebung stammen. So lieferten nach neuesten Erkenntnissen die Felsen des Kirchengrates den rotbraunen Marmor (Klauskalk) für die Sockel der korinthischen Säulen und Pilaster des Hochaltares. In dessen Mitte direkt über dem Tabernakel steht die Gnadenstatue, eine Kopie der Schwarzen Muttergottes von Altötting. Ihretwegen wurde das Gotteshaus als Wallfahrtskirche ausgeführt. Der Tabernakel selbst besteht aus weißgeädertem, mittelgrauem Kalkstein, der obere Teil ist allerdings aus Holz gefertigt, dessen Bemalung die Steinmaserung sehr gut imitiert – vermutlich als Ersatz für einen schadhaften Stein.  
Das Hochaltarbild stellt den Kirchenpatron Jakobus den Älteren dar, wie er sich – der Legende nach – im Jahre 849 bei Clavigo an die Spitze der vor den Mauren zurückweichenden christlichen Spanier stellt und ihnen dadurch zum Sieg verhilft. Der Apostel sitzt im Pilgergewand (Mantel, Hut) und mit den Pilgerattributen (Jakobsmuschel, Pilgerflasche) versehen auf einem durch das Kampfgetümmel galoppierenden Schimmel, in der ausgestreckten rechten Hand hält er eine Kreuzesfahne. Das stimmungsvolle Bild wird der Schule des in Heiligenkreuz wirkenden Martino Altomonte zugeordnet. 
Von faszinierendem Reiz ist die aus Lindenholz geschnitzte plastische Dreifaltigkeitgruppe, die als krönender Abschluss über dem Triumphbogen, gleichsam aus dem sich öffnenden Himmel heraus, sichtbar wird. Gottvater und der verherrlichte Gottessohn begegnen einander unter den Fittichen der den Heiligen Geist symbolisierenden Taube. Das Erlösungswerk wurde am Kreuz vollendet, die Welt ist gerettet und der Sohn im Triumph zum himmlischen Vater heimgekehrt. Die zahlreichen Putti, Engel und Wolken sind Ausdruck überreicher barocker Formenfreudigkeit. Der Überlieferung nach wird die Dreifaltigkeitsgruppe dem ebenfalls in Heiligenkreuz wirkenden Giovanni Giuliani zugeschrieben.
Die Gnadenstatue: Etwa 1707 wurde dem ursprünglichen Gotteshaus eine Kopie der Schwarzen Madonna von Alt-Ötting geschenkt. Die fromme Legende erzählt, dass ein Einsiedler in Alt-Ötting eine getreue Nachbildung der Schwarzen Madonna mit dem Jesuskind anfertigte und ihr durch Berührung mit dem Original die Weihe gab. Als der Einsiedler von der Erkrankung eines nahen Verwandten in Wien erfuhr, überbrachte er ihm die Muttergottesstatue im festen Glauben, dass auch die Nachbildung des Originals bei flehentlichen Bitten Hilfe gewähren werde. Der Kranke wurde wieder gesund und der Einsiedler bat seine ebenfalls in Wien lebende Mutter, die Statue einer dem heiligen Jakobus d. Ä. geweihten Kirche auf dem Lande zu übergeben. 
Die bedeutend kleiner dimensionierten beiden Seitenaltäre an den Ostwänden der Querarme werden von gelblichgrauem und dunkelblaugrauem Marmor dominiert, die Säulensockel zeigen rotbraunen Marmor. Die Altarbilder werden wie das Hochaltarbild dem Altomonte-Kreis zugeordnet. Das linke Altarbild zeigt in bester barocker Dramatik den Erzengel Michael, wie er die abtrünnigen Engel in den Höllenschlund stürzt, das rechte die heilige Familie in trauter Gemeinsamkeit.     
Die reich mit figuralem und ornamentalem Schmuck versehene Hängekanzel ist auf halber Höhe am nordöstlichen Vierungspfeiler angebracht und von der Empore aus begehbar. Der baldachinartige Schalldeckel wird von der Statue des Guten Hirten gekrönt, die Kanzelwände sind mit vergoldeten Reliefs geschmückt: An der breiteren Mittelwand ist Christus beim Abendmahl mit den Emmaus-Jüngern dargestellt, an den beiden schmäleren Seitenwänden die Apostel Johannes (links) und Matthäus (rechts), an der Kanzeltür der Völkerapostel Paulus.
Erst mit der Pfarrerhebung 1783 erhielt die Kirche definitiv das Taufrecht (der hiesige Seelsorger durfte es allerdings schon seit 1768 ausüben). Der Hofjuwelier der Kaiserin Maria Theresia, Franz Ritter von Mack (er ließ auch die Kalksburger Kirche erbauen), stiftete zu diesem Anlass den Taufstein. Das halbkugelförmiges Taufwasserbecken ist aus rotem Kalkstein gefertigt, der massige Fuß mit Jahreszahl und Widmung versehen. 
Die vom Wiener Orgelbaumeister Johann Seifert (auch Seyberth) 1850/51 erbaute Orgel hat 525 Pfeifen, zehn klingende Register, ein Manual und ein Pedal. Das Orgelgehäuse ist in einfachem Empirestil ausgeführt. 
Unterhalb der Kirchenterrasse und eingebettet in die beiden Stiegenaufgänge befindet sich die Jakobus-Kapelle. Im Zuge des Kirchenneubaues als Brunnengrotte errichtet, sollte sie die bauliche Struktur gliedern, vor allem aber den Wallfahrern Gelegenheit geben sich zu erfrischen, ohne die etwas abseits von dem die Eiswiese querenden Kirchensteig (nämlich unterhalb des Kirchenfelsens) sprudelnde „Kaltleutgebin“ aufsuchen zu müssen. Im Inneren ist der heilige Jakobus der Ältere als Pilger dargestellt. In seiner linken Hand hält er einen Wasserkrug, in seiner rechten den Pilgerstab. Zu seinen Füßen breitet sich ein auf einem Steinsockel aufliegendes, muschelförmiges Wasserbecken aus Sandstein aus, das zur Aufnahme des aus dem Krug fließenden Wassers diente. Ursprünglich speiste eine jetzt nicht mehr existierende Wasserleitung die heute als Kapelle dienende, nunmehr aber trockene Anlage.  

Wird fortgesetzt